war's in den giebeligen Gassen (der Giebel фронтон; островерхая двускатная крыша), und manchmal fiel eine Art von weichem Hagel, nicht Eis, nicht Schnee


«Das ist die Antwort des Horatio, liebe Lisaweta. 'Die Dinge so betrachten, hieße, sie zu genau betrachten', nicht wahr?»



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Nemetskiy yazyk s Tomasom Mannom Tonio Kryoger (3)

1 «Das ist die Antwort des Horatio, liebe Lisaweta. 'Die Dinge so betrachten, hieße, sie zu genau betrachten', nicht wahr?»
2 «Ich sage, dass man sie ebenso genau von einer anderen Seite betrachten kann, Tonio Kröger. Ich bin bloß ein dummes malendes Frauenzimmer, und wenn ich Ihnen überhaupt etwas zu erwidern weiß, wenn ich Ihren eigenen Beruf ein wenig gegen Sie in Schutz nehmen kann, so ist es sicherlich nichts Neues, was ich vorbringe, sondern nur eine Mahnung an das, was Sie selbst sehr wohl wissen... Wie also, Die reinigende, heiligende Wirkung der Literatur, die Zerstörung der Leidenschaften durch die Erkenntnis und das Wort, die Literatur als Weg zum Verstehen, zum Vergeben und zur Liebe, die erlösende Macht der Sprache, der literarische Geist als die edelste Erscheinung des Menschengeistes überhaupt, der Literat als vollkommener Mensch, als Heiliger, – die Dinge so betrachten, hieße, sie nicht genau genug betrachten?»
3 «Sie haben ein Recht, so zu sprechen, Lisaweta Iwanowna, und zwar im Hinblick auf das Werk Ihrer Dichter, auf die anbetungswürdige russische Literatur, die so recht eigentlich die heilige Literatur darstellt, von der Sie reden. Aber ich habe Ihre Einwände nicht außer Acht gelassen, sondern sie gehören mit zu dem, was mir heute im Sinne liegt... Sehen Sie mich an. Ich sehe nicht übermäßig munter aus, wie? Ein bisschen alt und scharfzügig und müde, nicht wahr? Nun, um auf die 'Erkenntnis' zurückzukommen, so ließe sich ein Mensch denken, der, von Hause aus gutgläubig, sanftmütig, wohlmeinend und ein wenig sentimental, durch die psychologische Hellsicht ganz einfach aufgerieben und zugrunde gerichtet würde. Sich von der Traurigkeit der Welt nicht übermannen lassen; beobachten, merken, einfügen, auch das Quälendste, und übrigens guter Dinge sein, schon im Vollgefühl der sittlichen Überlegenheit über die abscheuliche Erfindung des Seins, – ja, freilich! Jedoch zuweilen wächst Ihnen die Sache trotz aller Vergnügungen des Ausdrucks ein wenig über den Kopf. Alles verstehen hieße alles verzeihen? Ich weiß doch nicht. Es gibt etwas, was ich Erkenntnisekel nenne, Lisaweta: Der Zustand, in dem es dem Menschen genügt, eine Sache zu durchschauen, um sich bereits zum Sterben angewidert (und durchaus nicht versöhnlich gestimmt) zu fühlen, – der Fall Hamlets, des Dänen, dieses typischen Literaten. Er wusste, was das ist: zum Wissen berufen werden, ohne dazu geboren zu sein. Hellsehen noch durch den Tränenschleier des Gefühls hindurch, erkennen, merken, beobachten und das Beobachtete lächelnd beiseite legen müssen noch in Augenblicken, wo Hände sich umschlingen, Lippen sich finden, wo des Menschen Blick, erblindet von Empfindung, sich bricht, – es ist infam, Lisaweta, es ist niederträchtig, empörend... aber was hilft es, sich zu empören?


1 «Eine andere, aber nicht minder liebenswürdige Seite der Sache ist dann freilich die Blasiertheit (пресыщенность), Gleichgültigkeit und ironische Müdigkeit aller Wahrheit gegenüber, wie es denn Tatsache ist, dass es nirgends in der Welt stummer und hoffnungsloser zugeht (нигде в мире не царит более немая и безнадежная атмосфера; zugehen – происходить /как-либо/) als in einem Kreise von geistreichen Leuten (умных, остроумных, одухотворенных людей), die bereits mit allen Hunden gehetzt sind (которые прошли уже огонь и воду: «были уже травлены всеми собаками»). Alle Erkenntnis ist alt und langweilig (всякое познание, все познанное старо и скучно). Sprechen Sie eine Wahrheit aus, an deren Eroberung (от овладения которой) und Besitz Sie vielleicht eine gewisse jugendliche Freude haben, und man wird Ihre ordinäre Aufgeklärtheit (ваше заурядное открытие: «просвещенность» = ваше открытие того, что давно всем известно) mit einem ganz kurzen Entlassen der Luft durch die Nase beantworten... Ach ja, die Literatur macht müde, Lisaweta! In menschlicher Gesellschaft kann es einem, ich versichere Sie, geschehen, dass man vor lauter Skepsis und Meinungsenthaltsamkeit für dumm gehalten wird (с вами может случиться так, что лишь из-за скептицизма и сдержанности в суждениях вас будут считать глупым; sich enthalten – воздерживаться; enthaltsam –умеренный, воздержанный), während man doch nur hochmütig (горд) und mutlos (малодушен = непредприимчив, пассивен) ist... Dies zur 'Erkenntnis'. Was aber das 'Wort' betrifft, so handelt es sich da vielleicht weniger um eine Erlösung (дело тут не в спасении, освобождении) als um ein Kaltstellen und Aufs-Eis-Legen der Empfindung (замораживании чувства; kaltstellen – лишить влияния, отстранить от дел; etwas aufs Eis legen – заморозить /реформу, проект/)? Im Ernst (и действительно, говоря серьезно), es hat eine eisige und empörend anmaßliche Bewandtnis (есть нечто холодное и нестерпимо дерзкое) mit dieser prompten und oberflächlichen Erledigung des Gefühls durch die literarische Sprache (в этой быстрой и поверхностной расправе с чувством посредством литературного языка; erledigen – уладить, закончить; разделаться, убить, прикончить – здесь работают оба значения). Ist Ihnen das Herz zu voll, fühlen Sie sich von einem süßen oder erhabenen Erlebnis allzusehr ergriffen (чувствуете ли себя охваченным каким-либо сладостным или возвышенным впечатлением, переживанием): nichts einfacher! Sie gehen zum Literaten, und alles wird in kürzester Frist geregelt sein (и все будет в кратчайший срок улажено). Er wird Ihnen Ihre Angelegenheit (ваше дело, ваш случай) analysieren und formulieren, bei Namen nennen, aussprechen und zum Reden bringen (выскажет), wird Ihnen das Ganze für alle Zeit erledigen (навсегда уладит, закончит) und gleichgültig machen und keinen Dank dafür nehmen. Sie aber werden erleichtert, gekühlt und geklärt nach Hause gehen und sich wundern, was an der Sache Sie eigentlich soeben noch mit so süßem Tumult (der Tumúlt – суматоха, сумятица) verstören konnte. Und für diesen kalten und eitlen Charlatan wollen Sie ernstlich eintreten (вступиться)? Was ausgesprochen ist, so lautet sein Glaubensbekenntnis (символ веры, кредо), ist erledigt. Ist die ganze Welt ausgesprochen, so ist sie erledigt, erlöst, abgetan (abtun – снимать, сбрасывать; покончить, разделаться)... Sehr gut! Jedoch ich bin kein Nihilist...»
2 «Sie sind kein –» sagte Lisaweta... Sie hielt gerade ihr Löffelchen mit Tee in der Nähe des Mundes und erstarrte in dieser Haltung (застыла в этой позе).
3 «Nun ja... nun ja... kommen Sie zu sich (очнитесь, придите в себя), Lisaweta! Ich bin es nicht, sage ich Ihnen, in Bezug auf das lebendige Gefühl (там где речь идет о живом чувстве: «в отношении живого чувства»). Sehen Sie, der Literat begreift im Grunde nicht, dass das Leben noch fortfahren mag, zu leben, dass es sich dessen nicht schämt, nachdem es doch ausgesprochen und 'erledigt' ist. Aber siehe da, es sündigt trotz aller Erlösung durch die Literatur unentwegt darauf los (она /жизнь/ продолжает грешить по-старому: «в том же направлении, вперед», несмотря на все свое преображение, спасение через литературу, литературой; unentwegt – неуклонно, непрерывно); denn alles Handeln ist Sünde (всякое действие грех) in den Augen des Geistes...


1 «Eine andere, aber nicht minder liebenswürdige Seite der Sache ist dann freilich die Blasiertheit, Gleichgültigkeit und ironische Müdigkeit aller Wahrheit gegenüber, wie es denn Tatsache ist, dass es nirgends in der Welt stummer und hoffnungsloser zugeht als in einem Kreise von geistreichen Leuten, die bereits mit allen Hunden gehetzt sind. Alle Erkenntnis ist alt und langweilig. Sprechen Sie eine Wahrheit aus, an deren Eroberung und Besitz Sie vielleicht eine gewisse jugendliche Freude haben, und man wird Ihre ordinäre Aufgeklärtheit mit einem ganz kurzen Entlassen der Luft durch die Nase beantworten... Ach ja, die Literatur macht müde, Lisaweta! In menschlicher Gesellschaft kann es einem, ich versichere Sie, geschehen, dass man vor lauter Skepsis und Meinungsenthaltsamkeit für dumm gehalten wird, während man doch nur hochmütig und mutlos ist... Dies zur 'Erkenntnis'. Was aber das 'Wort' betrifft, so handelt es sich da vielleicht weniger um eine Erlösung als um ein Kaltstellen und Aufs-Eis-Legen der Empfindung? Im Ernst, es hat eine eisige und empörend anmaßliche Bewandtnis mit dieser prompten und oberflächlichen Erledigung des Gefühls durch die literarische Sprache. Ist Ihnen das Herz zu voll, fühlen Sie sich von einem süßen oder erhabenen Erlebnis allzusehr ergriffen: nichts einfacher! Sie gehen zum Literaten, und alles wird in kürzester Frist geregelt sein. Er wird Ihnen Ihre Angelegenheit analysieren und formulieren, bei Namen nennen, aussprechen und zum Reden bringen, wird Ihnen das Ganze für alle Zeit erledigen und gleichgültig machen und keinen Dank dafür nehmen. Sie aber werden erleichtert, gekühlt und geklärt nach Hause gehen und sich wundern, was an der Sache Sie eigentlich soeben noch mit so süßem Tumult verstören konnte. Und für diesen kalten und eitlen Charlatan wollen Sie ernstlich eintreten? Was ausgesprochen ist, so lautet sein Glaubensbekenntnis, ist erledigt. Ist die ganze Welt ausgesprochen, so ist sie erledigt, erlöst, abgetan... Sehr gut! Jedoch ich bin kein Nihilist...»


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