2 Beim zweiten Frühstück (der Tisch trug schwer an kalter Küche, Geräuchertem, Gesalzenem und Gebackenem) erkundigte sich Tonio Kröger, was vor sich gehe.
3 «Gäste!» sagte der Fischhändler. «Ausflüger und Ballgäste aus Helsingör! Ja, Gott soll uns bewahren, wir werden nicht schlafen können, diese Nacht! Es wird Tanz geben, Tanz und Musik, und man muss fürchten, dass das lange dauert. Es ist eine Familienvereinigung, eine Landpartie nebst Reunion, kurzum eine Subskription oder dergleichen, und sie genießen den schönen Tag. Sie sind zu Boot und zu Wagen gekommen und jetzt frühstücken sie. Später fahren sie noch weiter über Land, aber abends kommen sie wieder, und dann ist Tanzbelustigung hier im Saale. Ja, verdammt und verflucht, wir werden kein Auge zutun...»
4 «Das ist eine hübsche Abwechslung», sagte Tonio Kröger.
5 Hierauf wurde längere Zeit nichts mehr gesprochen. Die Wirtin ordnete ihre roten Finger, der Fischhändler blies durch das rechte Nasenloch, um sich ein wenig Luft zu verschaffen, und die Amerikaner tranken heißes Wasser und machten lange Gesichter dazu.
6 Da geschah dies auf einmal: Hans Hansen und Ingeborg Holm gingen durch den Saal. –
1 Tonio Kröger lehnte, in einer wohligen Ermüdung (в приятном утомлении; wohlig – приятный) nach dem Bade und seinem hurtigen (hurtig – проворный, быстрый) Gang, im Stuhl und aß geräucherten Lachs (копченую лососину) auf Röstbrot (на поджаренном хлебе; rösten – жарить, поджаривать); – er saß der Veranda und dem Meere zugewandt. Und plötzlich öffnete sich die Tür, und Hand in Hand kamen die beiden herein – schlendernd (schlendern – бродить, плестись, шататься) und ohne Eile. Ingeborg, die blonde Inge, war hell gekleidet, wie sie in der Tanzstunde bei Herrn Knaak zu sein pflegte. Das leichte, geblümte Kleid reichte ihr nur bis zu den Knöcheln (der Knöchel – лодыжка, щиколотка), und um die Schultern trug sie einen breiten, weißen Tüllbesatz (der Besatz – отделка, обшивка, оборка) mit spitzem Ausschnitt (с острым вырезом), der ihren weichen, geschmeidigen (geschmeidig – гибкий) Hals frei ließ. Der Hut hing ihr an seinen zusammengeknüpften Bändern (на связанных лентах; zusammenknüpfen – стягивать узлом, стягивать; knüpfen – связывать, привязывать) über dem einen Arm. Sie war vielleicht ein klein wenig erwachsener als sonst und trug ihren wunderbaren Zopf (косу) nun um den Kopf gelegt; aber Hans Hansen war ganz wie immer. Er hatte seine Seemannsüberjacke mit den goldenen Knöpfen an, über welcher auf Schultern und Rücken der breite, blaue Kragen lag; die Matrosenmütze mit den kurzen Bändern hielt er in der hinabhängenden Hand und schlenkerte sie sorglos hin und her. Ingeborg hielt ihre schmal geschnittenen Augen abgewandt, vielleicht ein wenig geniert (sich genieren – стесняться, смущаться /устар./) durch die speisenden Leute, die auf sie schauten. Allein Hans Hansen wandte nun gerade und aller Welt zum Trotz (всему свету наперекор, всем вопреки, словно бросая вызов всем) den Kopf nach der Frühstückstafel und musterte mit seinen stahlblauen Augen einen nach dem anderen herausfordernd (вызывающе; herausfordern – вызывать /на что-либо/) und gewissermaßen verächtlich (презрительно); er ließ sogar Ingeborgs Hand fahren (отпустил) und schwenkte (schwenken – махать, размахивать) seine Mütze noch heftiger hin und her, um zu zeigen, was für ein Mann er sei. So gingen die beiden, mit dem still blauenden Meere als Hintergrund, vor Tonio Krögers Augen vorüber, durchmaßen den Saal (durchmessen – мерить шагами, проходить через; messen – мерить) seiner Länge nach und verschwanden durch die entgegengesetzte Tür (через противоположную дверь) im Klavierzimmer.
1 Tonio Kröger lehnte, in einer wohligen Ermüdung nach dem Bade und seinem hurtigen Gang, im Stuhl und aß geräucherten Lachs auf Röstbrot; – er saß der Veranda und dem Meere zugewandt. Und plötzlich öffnete sich die Tür, und Hand in Hand kamen die beiden herein – schlendernd und ohne Eile. Ingeborg, die blonde Inge, war hell gekleidet, wie sie in der Tanzstunde bei Herrn Knaak zu sein pflegte. Das leichte, geblümte Kleid reichte ihr nur bis zu den Knöcheln, und um die Schultern trug sie einen breiten, weißen Tüllbesatz mit spitzem Ausschnitt, der ihren weichen, geschmeidigen Hals frei ließ. Der Hut hing ihr an seinen zusammengeknüpften Bändern über dem einen Arm. Sie war vielleicht ein klein wenig erwachsener als sonst und trug ihren wunderbaren Zopf nun um den Kopf gelegt; aber Hans Hansen war ganz wie immer. Er hatte seine Seemannsüberjacke mit den goldenen Knöpfen an, über welcher auf Schultern und Rücken der breite, blaue Kragen lag; die Matrosenmütze mit den kurzen Bändern hielt er in der hinabhängenden Hand und schlenkerte sie sorglos hin und her. Ingeborg hielt ihre schmal geschnittenen Augen abgewandt, vielleicht ein wenig geniert durch die speisenden Leute, die auf sie schauten. Allein Hans Hansen wandte nun gerade und aller Welt zum Trotz den Kopf nach der Frühstückstafel und musterte mit seinen stahlblauen Augen einen nach dem anderen herausfordernd und gewissermaßen verächtlich; er ließ sogar Ingeborgs Hand fahren und schwenkte seine Mütze noch heftiger hin und her, um zu zeigen, was für ein Mann er sei. So gingen die beiden, mit dem still blauenden Meere als Hintergrund, vor Tonio Krögers Augen vorüber, durchmaßen den Saal seiner Länge nach und verschwanden durch die entgegengesetzte Tür im Klavierzimmer.
1 Dies begab sich um halb zwölf Uhr vormittags (sich begeben – отправляться, идти /книжн./; случаться, происходить /высок. устар./), und noch während die Kurgäste beim Frühstück saßen, brach nebenan und in der Veranda die Gesellschaft auf (aufbrechen – отправляться в путь) und verließ, ohne dass noch jemand den Esssaal betreten hätte, durch den Seitenzugang, der vorhanden war (vorhanden – имеющийся, наличный; vorhanden sein – существовать, иметься, быть налицо), das Hotel. Man hörte, wie draußen unter Scherzen und Gelächter die Wagen bestiegen wurden, wie ein Gefährt (das Gefährt – повозка, экипаж, карета /высок. устар./) nach dem anderen auf der Landstraße sich knirschend in Bewegung setzte und davonrollte...
2 «Sie kommen also wieder?» fragte Tonio Kröger...
3 «Das tun sie!» sagte der Fischhändler. «Und Gott sei's geklagt (на наше несчастье; klagen – жаловаться). Sie haben Musik bestellt, müssen Sie wissen, und ich schlafe hier überm Saale.»
4 «Das ist eine hübsche Abwechslung», wiederholte Tonio Kröger. Dann stand er auf und ging fort.
5 Er verbrachte den Tag, wie er die anderen verbracht hatte, am Strande, im Walde, hielt ein Buch auf den Knien und blinzelte (blinzeln – мигать, моргать) in die Sonne. Er bewegte nur einen Gedanken: diesen, dass sie wiederkehren und im Saale Tanzbelustigung abhalten (удерживать; проводить /мероприятие/) würden, wie es der Fischhändler versprochen hatte; und er tat nichts, als sich hierauf freuen, mit einer so ängstlichen und süßen Freude, wie er sie lange, tote Jahre hindurch nicht mehr erprobt hatte. Einmal, durch irgendeine Verknüpfung (связывание, скрепление; связь; verknüpfen – связывать, скреплять) von Vorstellungen, erinnerte er sich flüchtig (бегло) eines fernen Bekannten, Adalberts, des Novellisten, der wusste, was er wollte, und sich ins Kaffeehaus begeben hatte, um der Frühlingsluft zu entgehen. Und er zuckte die Achseln über ihn...
6 Es wurde früher als gewöhnlich zu Mittag gegessen, und das Abendbrot nahm man ebenfalls zeitiger als sonst, im Klavierzimmer, weil im Saale schon Vorbereitungen zum Balle getroffen wurden (Vorbereitungen treffen – готовиться, проводить подготовку): auf so festliche Art war alles in Unordnung gebracht. Dann, als es schon dunkel war und Tonio Kröger in seinem Zimmer saß, ward es wieder lebendig auf der Landstraße und im Hause. Die Ausflügler kehrten zurück; ja, aus der Richtung von Helsingör trafen zu Rad und zu Wagen noch neue Gäste ein (eintreffen – прибывать), und bereits hörte man drunten im Hause eine Geige stimmen (настраивать) und eine Klarinette näselnde Übungsläufe (гнусавые пассажи упражнений; der Lauf – пассаж, рулада /муз./; näseln – гнусавить, говорить в нос) vollführen...
7 Alles versprach, dass es ein glänzendes Ballfest geben werde.
1 Dies begab sich um halb zwölf Uhr vormittags, und noch während die Kurgäste beim Frühstück saßen, brach nebenan und in der Veranda die Gesellschaft auf und verließ, ohne dass noch jemand den Esssaal betreten hätte, durch den Seitenzugang, der vorhanden war, das Hotel. Man hörte, wie draußen unter Scherzen und Gelächter die Wagen bestiegen wurden, wie ein Gefährt nach dem anderen auf der Landstraße sich knirschend in Bewegung setzte und davonrollte...
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